Durchgeführte Fließgewässermaßnahmen des Unterhaltungsverbandes Obere Wümme nach den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie

Die europäische Wasserrahmenrichtlinie umfasst unter anderem das Erreichen des guten ökologischen Zustandes bzw. des guten ökologischen Potenzials aller Oberflächengewässer, Küsten- und Übergangsgewässer sowie des Grundwassers. Ausschlaggebend für die Bewertung eines Gewässers sind biologische Komponenten (Fische, Wirbellose, Pflanzen und Andere). Für alle Gewässer Niedersachsens liegen Zielsetzungen vor, welche den ursprünglichen, natürlichen Zustand des Gewässers beschreiben und somit als Leitbild für die Fließgewässerentwicklung heranzuziehen sind. Diese Zielsetzungen umfassen sowohl die Struktur des Gewässers (z.B. die Zusammensetzung des Sohlsubstrats), als auch die im Gewässer vorkommenden Lebewesen.

Weitere Informationen zur Wasserrahmenrichtlinie finden Sie unter: http://www.umwelt.niedersachsen.de/wasser/WRRL/EG-WRRL-8109.html

Der Unterhaltungsverband Obere Wümme hat sich freiwillig dazu bereit erklärt, die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie voran zu tragen. Die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Abflusses wird dabei stets berücksichtigt.

Ein besonderer Dank gilt den Grundstückseigentümern an den Gewässern, die dem Unterhaltungsverband Obere Wümme die Möglichkeit geben, diese Maßnahmen, die der Gesetzgeber vorgibt, umzusetzen. Die Kosten für die Umsetzung der Maßnahmen werden zu 90 % von der Europäischen Union bzw. von dem Land Niedersachsen getragen. Die verbleibenden 10 % trägt der jeweilige Landkreis oftmals zusammen mit einer Gemeinde, in denen die Maßnahmen umgesetzt werden.

Strukturverbesserung

Die Strukturverbesserung ist eine der größten Herausforderungen der Fließgewässerentwicklung. In der Vergangenheit wurden fast alle Fließgewässer aus der Notwendigkeit heraus begradigt und profiliert, um die Bewirtschaftung der angrenzenden Flächen zu optimieren. In den letzten Jahrzehnten konnte ein Umdenken einsetzen, wodurch die Lebensräume der Fische, Pflanzen und anderen Flussbewohner berücksichtigt werden.

Im Rahmen der Fließgewässerentwicklung werden Gewässer durch strukturverbessernde Maßnahmen in einen naturnahen Zustand gebracht. Darunter fällt der Einbau von Kiesbänken, die naturnahe Profilierung des Gewässerquerschnittes oder das Erzeugen von Strömungsdiversität. So wurde beispielsweise der Lünzener Bruchbach im Frühjahr 2015 naturnah umgestaltet. Um das Gewässer als Lebensraum wieder zu reaktivieren, wurden Kiesbänke eingebracht. Diese erfüllen gleich mehrere Funktionen: Durch die teilweise Einengung des Fließquerschnittes werden Bereiche mit höheren und geringeren Fließgeschwindigkeiten erzeugt. Somit können sich Fische und wirbellose Lebewesen in den von ihnen bevorzugten Bereichen ansiedeln. Die eingebrachten Kiesbänke schützen gleichzeitig auch die Ufer vor Erosion und somit vor weiteren Sandeinträgen in das Gewässer. Nicht zuletzt dient der Kies selber als wichtiger Lebensraum im Gewässer: Einige Fischarten nutzen solche Strukturen als Laichbetten, sodass ihre natürliche Reproduktion vom Vorhandensein von Kiesbänken im Gewässer abhängig ist. Zudem dient das Lückensystem der Kiesbänke diversen Wirbellosen (Insekten, Larven und Schnecken) als Lebensraum. 

Der Lünzener Bruchbach nach der Renaturierung. Gut zu erkennen sind die Kiesbänke am linken und rechten Ufer sowie die Niedrigwasserrinne, welche die notwendigen Wasserstände vorhält.

Durchgängigkeit

Zur angepassten Nutzung wurden diverse Gewässer in der Vergangenheit angestaut. Die häufigsten Beispiele dafür sind die Wasserkraftnutzung oder das Vorhalten notwendiger Wasserstände in der Landwirtschaft.
Die ökologische Durchgängigkeit ist eine grundlegende Voraussetzung für die naturnahe Entwicklung und ist durch die EG-WRRL vorgeschrieben. Wenn daher die Wasserkraftnutzung aufgegeben werden kann oder der Aufstau in der Landwirtschaft nicht mehr erforderlich ist, kann die ökologische Durchgängigkeit für Fische und Wirbellose wieder hergestellt werden. Insbesondere profitieren Wanderfischarten wie die Forelle oder Neunaugen von solchen Maßnahmen, da sie zum Laichen stromaufwärts in die kleineren Gewässer ziehen.

Oftmals wird das Sohlbauwerk zurückgebaut und der Absturz im Gewässer durch eine Sohlgleite ausgeglichen. Dabei ist die Durchgängigkeit in den kleineren Bächen ebenso wichtig wie in den größeren Flüssen. Die größeren Gewässer, wie hier die Fintau, dienen oft als Wanderrouten. Die ökologische Durchgängigkeit ist wichtig, um die Wanderung nicht zu unterbrechen.

Vorher: Die Wanderung in der Fintau wird behindert, nur wenige Fische und Wirbellose können das Hindernis passieren.
Nachher: Über eine Sohlgleite wird der Höhenunterschied angepasst und die Wanderung ermöglicht.

Die kleineren Gewässer wie zum Beispiel der Kröpelbach, dienen häufig als Laich- und Aufzuchtgewässer diverser Fischarten und sind Lebensraum vieler Arten der Insekten und Wirbellosen. Damit die bevorzugten Plätze im Oberlauf genutzt werden können, ist die Durchgängigkeit auch in diesen Bächen notwendig. 

Vorher (links) und nachher (rechts): Die Durchgängigkeit im Kröpelbach ist wiederhergestellt.

Sandfänge

Sand und Feinsedimente gelangen auf verschiedene Arten ins Gewässer. Die häufigsten Eintragspfade sind die Erosion der Sohle und Ufer sowie der flächenhafte Eintrag aus der Aue. Grundsätzlich stellt eine Sandsohle im Gewässer keinen Mangel dar. Viele Bäche und Flüsse haben auch im natürlichen Zustand neben etwas Kies und Lehm eine überwiegend sandige Sohle. Problematisch ist die Art und Menge des Sandes. Im naturnahen Zustand liegt die sandige Sohle lagestabil, sodass sich wirbellose Arten in diese einnisten können und der Transport von Sand im Gewässer minimiert ist. Im naturfernen Zustand wird die Sohle von einer stetig stromabwärts getriebenen Sandschicht überlagert. Diese Schicht bietet keinen Lebensraum. Zusätzlich „verstopft“ das Sediment das natürliche Lückensystem (z.B. Kiesbänke), Habitate (z.B. Wurzeln oder Totholz) werden überlagert und Wasserpflanzen geschädigt. Um die Sandfrachten zu reduzieren werden Sandfänge gebaut. In diesen ist die Fließgeschwindigkeit des Gewässers stark verringert, sodass mitgeführter Sand sedimentieren kann. Allerdings müssen Sandfänge zur Erhaltung ihrer Funktion in regelmäßigen Abständen unterhalten werden. Außerdem bildet der im Sandfang gelagerte Sand eine Wanderbarriere für die wirbellosen Lebewesen im Gewässer.

Somit stellen Sandfänge vorübergehend eine Möglichkeit zur Verringerung der Sandfrachten im Gewässer dar, langfristig wird die Reduzierung der Ursachen der Sandeinträge angestrebt.

Der Sandfang im Hollsteggraben verringert die Sandeinträge in den Todtgraben und somit auch in die Wümme.

Gewässerrandstreifen

Gewässerrandstreifen erfüllen diverse Funktionen im und am Gewässer. Abhängig vom Bewuchs und der Breite des Randstreifens werden Sandfrachten aus der Aue zuverlässig zurückgehalten, sodass die Einträge in das Gewässer minimiert werden. Ähnlich verhält es sich mit Nährstoffeinträgen: Der Bewuchs der Randstreifen hält Nährstoffe zurück und „verbraucht“ diese, sodass das Gewässer geschont wird. Zudem schützen die Wurzeln die Ufer vor Erosion und bieten gleichzeitig hochwertigen Lebensraum für Fische und Wirbellose. Auch der Randstreifen selbst bildet als Kontaktzone zwischen Festland und Gewässer einen wichtigen Lebensraum, insbesondere für amphibische Arten. Nicht zuletzt wird gerade in landwirtschaftlich geprägten Gebieten ein Gewässerrandstreifen vom Wild zu Schutzzwecken aufgesucht.

Am Lünzener Bruchbach konnten durch die Stiftung Naturschutz im Landkreis Rotenburg Randstreifen erworben werden. Diese wurden der natürlichen Sukzession überlassen.
 (Foto: R. Gerken, 2011)
Die Randstreifen können sich eigenständig entwickeln und bieten heute vielfältigen Lebensraum im und am Gewässer.